China mit Blasmusik im Sturm erobert

Von Axel H. Kunert
Große Emotionen, ganz viele Gänsehaut-Momente und noch mehr Applaus – so lässt nicht kurz zusammenfassen, was “The German Mega Brassband”, eine Gemeinschafts-Kapelle der Musikvereine Calw-Stammheim und Althengstett, auf ihrer “China-Tournee” erlebte.

Kreis Calw/Peking/Nanjing. Erster Halt: Peking. Natürlich gibt’s auch Zeit für reichlich Besichtigungen: Sommerpalast, Große Chinesische Mauer. Knapp 60 Kilometer außerhalb von Peking-Zentrum befindet sich das Gelände der Gartenbau-Expo. Eigentlich sind die Blasmusiker aus dem Nordschwarzwald auf Einladung des Gouverneurs der Provinz Jiangsu (Partnerregion von Baden-Württemberg) in China.

Das begeisterte Publikum ging auf Tuchfühlung mit den Musikern. Einige folgten der Kapelle über mehrere Stationen hinweg. Fotos: Kunert Foto: Schwarzwälder Bote


Gastspiel auf der Expo ergänzt Reise-Programm

Da wird es die zweite Hälfte der Reise – genauer in die Provinz-Hauptstadt Nanjing – hingehen. Aber als klar war, dass die kleine China-Tournee klappen würde, meldete sich auch die Expo-Leitung und bat um einen Auftritt der Stimmungsmacher bei den noch anstehenden “Deutschen Kultur-Tagen”.
Das ausgesuchte Wochenende ist richtig heiß, der Himmel fast wolkenlos. Die Menschen strömen an diesen arbeitsfreien Tagen in Massen auf das Expo-Gelände, das in etwa vergleichbar ist mit einer Bundesgartenschau. Nur größer – mit gigantischen Pavillons, viel Zukunftseuphorie, beispielsweise zum “Urban Farming”. Und traumhafter chinesischer Landschaftsarchitektur. In zwei Gruppen/Formationen erobern die 61 Musiker aus Stammheim und Althengstett das Gelände: Während die einen an immer wieder neuen Orten für die Expo-Besucher aufspielen, genießen die anderen das gewaltige Park-Areal. Und umgekehrt. Allein das “Flügelhorn” hat bei der “Mega Brassband” etwas gelitten – und muss in beiden Formationen durchgängig mit dabei sein und hat daher keine Gelegenheit zum Expo-Rundgang.
Höhepunkt im musikalischen Teil: Ein Balkon-Konzert am deutschen Pavillon – spontan organisiert von Hans-Joachim Fuchtel, der als Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Generalkommissar der deutschen Vertretung auf der Expo ist und zeitgleich mit einer Wirtschaftsdelegation durch Vietnam, China und die Mongolei reist.
Dann das große Platzkonzert vor dem deutschen Pavillon – ein Publikumsmagnet. Smartphones werden gezückt, jede Menge Fotos und Selfies gemacht – am liebstem mit einem oder besser noch ganz vielen der schmucken Musiker gemeinsam auf dem Bild. Beliebtestes “Foto-Model” in Tracht und Lederhose: Martin Herter an der großen Basstuba. Als ihm drohen die Noten-Seiten vom Sommerwind wegzuwehen, sind sofort chinesische Kinder zur Stelle, um das Papier festzuhalten.
Fast zwei Stunden halten die Musiker mit ihrem Konzert in der prallen Sonne durch – eine kühle Mass im Biergarten des deutschen Pavillons immer vor Augen. Ständig dicht umringt vom Publikum, das mitwippt und mittanzt. Dann, zum Konzert-Abschluss, braucht es nur drei Takte, um auch die Chinesen im weiten Rund sofort zu elektrisieren und herbeirennen zu lassen: Die chinesische Nationalhymne, gespielt von einer deutschen Blaskapelle. Eine echter Coup in Sachen Völkerverständigung. Da schaut selbst der Chef der Expo vorbei. Und wird für eine ganze Weile den deutschen Pavillon und seine musikalischen Botschafter nicht mehr verlassen.
Stefanie Hammann, Vorsitzende des MV Stammheim und Chef-Organisatorin der China-Reise, merkt man anschließend eine tiefe Ergriffenheit an. “Das alles ist eine wahnsinnig tolle Bestätigung”, erzählt sie. “Von wegen, Blasmusik ist ›uncool‹.” Musik sei so ein toller Türöffner, ein Meilenstein für die Völkerverständigung. Ein Baustein für den Frieden.
Was Hammann am meisten beeindruckt: “Es gibt hier einige Menschen, die uns seit dem Betreten des Expo-Geländes ununterbrochen begleiten – jeden Auftritt ganz genau verfolgen – und nicht müde werden in ihrer Begeisterung für uns.”
Nicht anders die Euphorie und der Erfolg zwei Tage und eine (auf die Minute pünktliche) Hochgeschwindigkeits-Zugfahrt später in Nanjing, dem eigentlichen Ziel der Konzert-Reise: Das Grand Theatre der Sechs-Millionen-Metropole hat auf eine Empore des riesigen Gebäude-Komplexes mit unzähligen Konzert- und Spielstätten vor einer großen Multivisions-Leinwand eine Bühne für “The German Mega Brassband” aufgebaut.
Tolle Akustik, wie sich schon bei der ersten Probe – noch ohne Instrumente, aber dafür umso stimmgewaltiger – am Mittag zeigen sollte. Beim eigentlichen Konzert – volles Haus. Am Anfang ist das Publikum zwar noch etwas reserviert, aber das legt sich schnell. Der Stimmungspegel steigt mit jedem Stück – gerade die Soli und die Gesangseinlagen bringen die Menge zum Toben. Und am Ende “flippt das Publikum komplett aus”, tanzt vor der Bühne, überall, wo noch irgendwie Platz ist. Beifall ohne Ende. Und 61 komplett glückliche Musiker aus dem Nordschwarzwald, die China eben mal so im Sturm erobert haben.
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